Regens Dr. Michael Kreuzer konnte Pfarrer Benedikt Huber, den Leiter der Abteilung Berufe der Kirche, als Referenten für unsere diesjährige Recollectio gewinnen, dessen drei Impulse an die Hausgemeinschaft unter dem Leitgedanken „Seht doch auf eure Berufung, Brüder!“ (1 Kor 1,26) standen.
Die Zeit der Einkehr und des Schweigens begann nach dem gemeinsamen Kaffee am Samstagnachmittag direkt mit dem ersten Impuls, der die These ‚Berufung lebt von Leidenschaft‘ beinhaltete. Für seine Leidenschaft dürfe man sich Zeit nehmen, so Pfarrer B. Huber, und man brauche sich nicht dafür zu schämen. Zur persönlichen Reflexion bekamen wir Fragen wie „Was macht mir Freude, was begeistert mich?“. Leidenschaft brauche es in der Freizeit, aber dann auch bei Gott. „Du hast mich betört, o HERR, und ich ließ mich betören; du hast mich gepackt und überwältigt.“, trug er aus Jer 20,7-11 vor. Eine tiefe Herzensbeziehung zu Christus empfehle auch der heilige Benedikt. Pfarrer B. Huber ermutigte jeden zu fragen, wo Gott uns überwältige. „Der Mensch wird dann ganz er selbst, wenn Leib und Seele zu innerer Einheit finden.“ (Enzyklika „Deus Caritas est“ Nr. 5). Bei welcher Gebetsform geht mir das Herz auf? König David lehre uns echt zu sein! Dies sei auch ein Tipp für die Pastoral. Bei Berufung gehe es um etwas ganz Persönliches. Das, was mich im Innersten angeht, das bringe ich mit. Es wäre falsch, alle Leidenschaft abzutöten. Nur wer seine Leidenschaft einbringe, lebe Berufung. „Die Sehnsucht gibt dem Herzen Tiefe.“ (Hl. Augustinus). Das, was man habe, treu zu leben, empfahl Pfarrer Huber. Danach hielten wir eine feierliche Vesper, die von der Schola musikalisch gestaltet wurde. Das Abendessen verbrachten wir im Schweigen.
Am Samstagabend folgte der zweite Impuls von Pfarrer Benedikt Huber unter der These ‚Berufung entfaltet sich durch Offenheit‘. Ein Phänomen, das als Angst davor, etwas zu verpassen beschrieben werden könne (engl.: Fear of missing out, FOMO), sei, so Pfarrer Huber, bei jungen Erwachsenen weit verbreitet. Dieses Phänomen könne den Einzelnen lähmen. Auch sei Berufung als ein Puzzleteil, das genau passen oder gefunden werden müsse, die falsche Sicht. Er ermutigte in seinem Vortrag zu einem Paradigmenwechsel. Die Sicht, in eine Berufung einzutauchen, ‚ich lebe eine Berufung‘ sei die richtige. Auch sei Berufung nichts statisches und auch kein einmaliges Erlebnis, sondern hat eine Geschichte, ein Davor. Zahlreiche Vorlagen für ein Ändern der Berufungsstrategie liefere uns die Bibel: Paulus, Jesus, Johannes und Mose, um nur einige zu nennen. Immer wieder hätten die Propheten die Stimme Gottes neu gehört und sich manchmal auch korrigieren müssen. Karl Rahner sei der Auffassung gewesen, dass man seine volle Berufung erst in der Ewigkeit erkenne. Das dürfe zur Gelassenheit ermutigen. Jeder dürfe seine Berufung leben und gestalten. Es gehe weniger um ein gesolltes Leben als vielmehr um ein gelebtes Leben. Auf einer Berufung dürfe man sich nicht ausruhen, sondern man solle ein Leben lang dranbleiben. Dieses Offenbleiben, ein Leben lang Dranbleiben sei wichtig. Berufung sei keine Vitrine. Pfarrer Benedikt Huber ermutigte zur Gelassenheit und in Offenheit zu schauen, was da sei. Die meisten biblischen Geschichten würden uns lehren, dass Gott komme und etwas ganz anderes geschehe, als wir erwartet hätten. Die Pharisäer hätten das Beste machen wollen, seien aber an Gottes Willen vorbeigeschrammt. Paulus teilte uns in 1Kor 1,18-29 mit, dass der Wille Gottes als Torheit abgetan werde. Menschen würden ihres Glaubens wegen verunglimpft und ignoriert werden, auch am ersten Pfingsttag. Viele neue Aufbrüche seien zunächst abgelehnt worden. Gott überrasche immer wieder neu. Wir müssten offenbleiben und Jesus immer wieder die Frage stellen: „Was willst du, dass ich tue?“. Pfarrer Huber empfahl uns ein lebenslanges Offenbleiben für den Willen Gottes. Als Beispiel für eine gewandelte Berufung führte Pfarrer B. Huber den bereits verstorbenen Prälaten Georg Beis an, der, nachdem er die Belange des Bistums u.a. als Diözesanadministrator geführt habe, im Alter seine Berufung im Gebet und dem Zuhören gefunden hätte. Gott rufe uns im Hier und Jetzt. Selbst ein kleines Gebet könne ein großartiger Dienst sein. Pfarrer B. Huber lud uns zum Hören ein. Berufung sei ein lebenslanger Dialog. Bei Berufung gehe es des Weiteren mehr um das Wie als um das Was. Berufung sei, wie man etwas tut. Talente seien nicht immer eine absolute Bestimmung. Schwächen seien kein absolutes Ausschlusskriterium. Berufung brauche Freiheit, keine Angst. Korrekturen seien immer möglich. Berufungen würden auch schief gehen können. Es könne auch zur Krise kommen. Typische Krisenzeiten seien nach Schulabschluss, Auszug der Kinder, Berufsende und dem Tod eines Partners. Eine Krise könne sich auch aus einer Phase der Überforderung ergeben. Da müsse man manchmal auch sagen können: „Es tut mir leid: das geht jetzt nicht.“, oder: „Ich schaffe das nicht!“. In den Phasen des Hineinstürzens in eine Krise könne ich die Krise noch abwenden und mich neu ausrichten. Pfarrer Benedikt Huber riet uns, offenzubleiben. Keine feste Agenda von zehn Jahren sei angebracht, sondern täglich neu zu schauen, was ER heute von mir wolle. Er lud dazu ein, uns vom HERRN in der darauffolgenden nächtlichen Betrachtung, die anschließend an die in der Seminargemeinschaft gesungenen Komplet durchgehend bis zur Laudes am nächsten Morgen stattfand, anschauen zu lassen und zu hören, was ER uns zu sagen habe. Er sei der Allwissende! Wir sollten nicht so viel nachdenken, sondern offen für IHN sein.
Eine Einteilung zur nächtlichen Anbetung in Schichten gab uns aber auch die Möglichkeit, außerhalb unserer Gebetszeiten zu schlafen. Mit dem Beginn der Laudes am Sonntag um 7:30 Uhr endete dann schließlich die Nachtanbetung. Nach dem Frühstück, das die Seminargemeinschaft schweigend einnahm, fand der dritte Impuls unter dem Motto ‚Berufung klärt sich mit Hilfe von Beziehungen‘ statt. Häufig, so Pfarrer Huber, würden Berufungen mit prägenden Personen zusammenhängen. Von Cyrill von Alexandrien stamme das Zitat: „Wenn ich jemand für das Christentum gewinnen will, lasse ich ihn in meinem Hause wohnen.“. Oft seien Geistliche oder Religionslehrer „Katalysatoren“ für unsere Berufung. Pfarrer Benedikt Huber regte zum Nachdenken darüber an, wer in unserem Leben solch ein „Katalysator“ unserer Berufung gewesen sei. Um die Berufung zu klären, bedürfe es wiederum, Menschen, die dabei helfen, herauszufinden, ob es der Heilige Geist sei, der zu einem spreche. Samuel habe Eli gebraucht, um seinen Ruf zu verstehen. In der Bibel seien einige weitere Beispiele solcher Über-Setzer zu finden. Pater Christoph Theobald SJ spreche von diesen anderen Menschen als passeur (=Fährmänner; Über-Setzer). Es brauche Prüfer der Berufung, die draufschauen und darüber befinden, ob es was sein und werden könne. Für uns Seminaristen seien dies Regens, Subregens und Menschen, die über uns befragt werden würden. Fährmänner des Glaubens seien Spiritual, geistlicher Begleiter und weitere. Nach dem Schema von Pater Christoph Theobald SJ seien die Fährmänner gut, die erstens ein absichtsloses Interesse an der Berufung des anderen mitbringen würden, zweitens dabei wahrhaftig seien und drittens eine innere Freiheit einräumen würden. Es sei gut, die drei Punkte bei den Ratgebern durchzugehen. Druck sei in Berufungsfragen nicht angebracht. Keinen Druck zu verspüren, gerade auch nicht von den Eltern, sei gut. Der ehemalige Limburger Bischof F. Kamphaus meine dazu, wer seine Seele zurückhalte, der könne nicht Seelsorger sein. Pfarrer Benedikt Huber riet in diesem Zusammenhang, ehrlich zum geistlichen Begleiter zu sein. Man solle Priester werden und Mensch bleiben. Priester sollten in Beziehung bleiben. Er rate vom Vorhalten einer Scheinfigur ab. Auch rate er zum Zusammenhalt unter den Priestern, die sich gegenseitig helfen und austauschen könnten, auch mit Materialien. Auch Freunde außerhalb des Klerus‘ seien wichtig. Es brauche Menschen, die einem von Herzen zugetan seien, wie wir am Beispiel von Ex 18,5.7-11.13-25 erfahren könnten, in welchem Mose den guten Rat seines Schwiegervaters umsetze. Als Priester würden wir Menschenfischer und Hirten werden. Erzählende werden und selbst zuzuhören sei empfehlenswert. Von Menschen, die ganz anders seien als wir, könnten wir ganz viel lernen, so Pfarrer Benedikt Huber. Wenn wir uns das Evangelium von anderen zusprächen lassen, dann könne in uns einiges zum Guten ins Wanken kommen, sodass wir dann anders auf die Welt schauen könnten.
Nach dem dritten Impuls feierten Pfarrer Benedikt Huber und Regens Dr. Kreuzer mit den Seminaristen eine festliche Heilige Messe zum Dreifaltigkeitssonntag. Nach dem Angelusgebet endeten mit Beginn des Mittagessens das Stillschweigen und unsere Zeit der Einkehr.
Die ganze Hausgemeinschaft dankt Pfarrer Benedikt Huber herzlich für seine Impulse und seinen Blickwinkel als junger Priester sowie die gute Gemeinschaft an diesem Wochenende!